Viele schreiben, dass das Leben nach der Coronakrise anders
sein wird als vorher, aber ob wir das unmittelbar wahrnehmen werden, das ist
noch die Frage. Ich gehe von vielen unterschwelligen Veränderungen aus, die erst
langfristig sichtbar werden. Möglicherweise wird ein Begrüßungsküsschen mit
Freunden zukünftig als unhöflich und respektlos angesehen. Bis es sich aber zur
gesellschaftlichen Norm entwickelt, wird das aber einige, vielleicht auch 10
oder 20 Jahre dauern, spätestens bis die Vertreter der alten Norm zu einem guten
Teil weggestorben sind.
Eine ähnliche schleichende Entwicklung prognostiziere ich bei
den drei großen monotheistischen Religionen. So wie das Erdbeben von Lissabon 1755
ein wesentlicher Impuls für die Aufklärung und das in Frage stellen von Kirche
und Christentum war, so könnte die Coronakrise dramatische Auswirkungen auf die
religiösen Einstellungen der Menschen haben.
Das Erdbeben von Lissabon 1755 |
Warum?
Nichts zeigt die Hilflosigkeit der Religionen aktuell
deutlicher, als ein menschenleerer Petersplatz bei den Osterfeierlichkeiten, die
ebenfalls menschenleere Klagemauer am Pessachfest oder die Absage der Haddsch
nach Mekka. Bilder vom Papst oder der Kaaba in riesiger Leere werden sich tief in
das kollektive Gedächtnis der Gläubigen einprägen.
Wenn in früheren Zeiten Katastrophen über die Menschheit
hereinbrachen, dann war das anders, dann versammelten sich die Menschen in Kirchen,
Moscheen und Synagogen damit Gott das Unheil von ihnen abwende. Heute dagegen schließen
die Gotteshäuser ihre Pforten. Und selbst für die heilige Pflicht der Moslems,
dem Ramadan, finden Religionsgelehrte gute Gründe, warum das dieses Jahr nicht
so streng gesehen werden muss.
Die Menschen vertrauen angesichts Corona den Epidemologen,
den Infektionsmedizinern ja und sogar den Politikern, aber nicht Gott. Selbst die
Imame, Priester und Rabbiner beugen sich nicht Gott, sondern den
Wissenschaftlern. Das wird seine Wirkung nicht verfehlen.
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