Gestern,
am Tag der Wintersonnenwende, besuchten wir den Sehnsuchtsort Monaco. Von Nizza
aus ist es nur ein Katzensprung.Der Zug braucht 20 Minuten entlang der
ausreichend oft bewunderten Küste. Das Fürstentum erreichen wir in einem
modernen, unterirdischen Bahnhof, der tief in den Felsen gebohrt wurde. Der
Platz des alten Bahnhofs wurde gebraucht, um noch ein paar mehr Millionären
einen bescheidenen Schlafplatz und damit das lukrative, weil steuerfreie
Wohnrecht anbieten zu können. 38.700 Einwohner hat das Städchen auf ganzen
zweieinhalb Quadratkilometern, wie uns ein vielleicht 16 jähriger
freundlicher Junge im Bus auf der Fahrt zum Ozeanografischen Museeum erkärt. Er
spricht perfektes Deutsch, mit leichtem französischem Akzent, er lebt hier und
kommt ursprünglich aus Hamburg.
Der Blick auf Monaco |
Der Blick vom Dach des Ozeanografischen Museeums auf die Stadt ist grandios. Die Assoziation mit Metropolis, der Stadt in Fritz-Langs gleichnamigen Film, drängt sich auf. Die vielen, dicht gedrängten, hohen Häuser sind auf engstem Raum eingeschnürt von einer unsichtbaren Grenze. Dahinter bricht die Stadt abrupt ab und geht in ländliche Bebauung über.
Noch
mehr erinnert dieser Blick an ein Kunstwerk. Viele kennen vermutlich das Bild
von Arnold Böcklin: Die Toteninsel. Darauf sieht man einen Nachen mit einem
Leichnam auf eine kleine Laguneninsel zufahrend. Die Insel besteht aus
riesigen, hohen Bergen, die die Lagune umschließen. Gegenüber der Einfahrt in
die Lagune steht ein kleiner Wald aus Zypressen. Ein düsteres Bild und es hängt
in Leipzig. Unmittelbar vor diesem Bild steht eine moderne Plastik. Ein
Künstler hat ebenjene Toteninsel aus Gips oder Kuststoff nachgebildet
aber statt des kleinen Wäldchens steht dort eine Hochhausstadt. Das Panorama
von Monaco vom Dach des Ozeanografischen Museeums gleicht diesem
Kunstwerk und es würde uns nicht wundern, wenn der Künstler hier dazu
inspiriert wurde.
Das
Museeum selber ist ein großartiger Bau des 19. Jahrhunderts. Vier riesige
prachtvolle Säle bilden das Zentrum. In einem - wir sind ganz allein - hängen
dutzende Skelette von Meerestieren von der Decke. Wale, Delphine und andere. Es
ist die Installation dieser bleichen Knochen die, unter der Decke schwebend und
raumbeherrschend mehr einem Kunstwerk gleichen, als einer wissenschaftlichen
Demonstration.
Nach
dem Besuch des Museums fahren wir zum Casino, diesem Bau des 19.
Jahrhunderts, der nur deshalb vom Architekten der Pariser Oper Charles
Garnier errichtet wurde, weil die Preussen 1866 das Glücksspiel in Baden-Baden
verboten hatten. Seitdem zieht die Karawane der Reichen und Neureichen nicht
nur zum Glücksspiel nach Monaco.
Unser
Bus quält sich durch die engen, kurvigen Straßen, auf denen einmal im Jahr
Autos mit mehr als 200 Stundenkilometern entlangbrettern. Kaum vorstellbar. An
einem solchen Tag kostet ein einfaches Zimmer in einem Hotel mit Blick auf die
Rennstrecke schon mal 9.200€ (die Nacht!), ebenfalls kaum vorstellbar!
Je
mehr wir uns dem Casino nähern, desto dichter wird die Masse der Luxuskarossen.
Dabei reden wir nicht von Mercedes-sen. Vermutlich ist ein Mercedes hier nur
etwas für die untere Mittelklasse.
Vor
dem Casino hat der Fürst eine traumhafte Winterlandschaft mit Tannen
aufgestellt. Sie wäre wunderbar, wenn sie echt wäre. Der Kunstschnee ist aus
Plastik, sieht aber sehr edel aus. Geschmacksverirrungen sind, wie sich hier
feststellen lässt, kein Privileg des Prekariats.
Wir
trinken einen Kaffee auf der Terrasse des Cafe de Paris, am Platz direkt vor
dem Casino. Zugang ist nur mit Sicherheitskontrolle möglich und wie bereits bei
unserem Besuch zum High Tea im Dorchester spielt hier ein Theatrum Mundi,
nur um Klassen ordinärer und billiger. Gut
gekleidete Damen und Herren versuchen sich in Extravaganz zu überbieten, dicke
Zigarren sind ebenso angesagt, wie möglichst auffällige Autos oder aussergewöhnlicher
Schmuck oder kostbare Handtaschen. Louis Voutton spielt hier auch nur bei der
Mittelklasse eine Rolle. Damit man sich das auch alles leisten kann, sind die
Trinkgelder der Reichen und Schönen aussergewöhnlich bescheiden. 50 Cent müssen
bei einer Rechnung von 50€ schon reichen.
Mich
stößt die Atmosphäre ab, es schnürt mir, ähnlich wie in Las Vegas, den Hals zu.
Ich vermute es ist die Falscheit und Unglaubwürdigkeit, das Vortäuschen einer heilen, edlen Welt, hinter deren Fassade es oft sehr
schmuddelig zugeht. Jedenfalls ist es unerträglich.
Wir
flüchten regelrecht aus der Stadt zusammen mit hunderten Pendlern in einem
überfüllten Zug, der das Personal heran- und in diesem Fall wieder
herausschafft. Nur mit ihnen kann diese Welt überhaupt funktionieren. Die Masse
der Handwerker, Putzfrauen und Dienstboten erinnert uns an die Aussage
von Friedrich Hegel, dass nicht die Sklaven die Abhängigen sind, sondern die
Herren. Er meinte, in dem Augenblick, wo sich die Sklaven entschliessen
nicht mehr Sklaven zu sein, sind die Herren keine Herren mehr. Andersherum sei
es schwieriger.
Dieser
Gedanke stimmt uns versöhnlich.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Kommentieren Sie! Positives Feedback ist natürlich gern gesehen, Hinweise auf Fehler sind wichtig und Kritik wird gern entgegengenommen, sofern sie sachlich und in angemessenem Ton vorgebracht wird.